Als ich am Nachmittag 20 Minuten vor Beginn zur Gemeinde komme, sind schon viele gekommen. Der Sarg steht in einem kleinen Vorraum - offen. Ein kurzer Blick bestätigt meine Vermutung: Ich habe den Verstorbenen nicht gekannt, überhaupt war er kein Gemeinde-Mitglied, dass sich besonders lautstark hervor getan hat, wie unser Senior-Pastor der Gemeinde erklärt hatte. Aber allen finanziellen Verpflichtungen sei er gewissenhaft nach gekommen!
Im Vorraum schwebt ein aufdringlicher Duft, und ich muss daran denken, das der Todesfall bereits vor über einer Woche bekannt geworden war. Schnell eile ich zu meinem Platz, vorne bei meinem jungen Kollegen. Er geht mit mir das Programm durch, als unser Senior schnellen Schritts durchs Gemeindehaus eilt. Erleichterung! Als die Zeit gekommen ist, geht er mit uns allen zum Sarg, der duftumwölkt im Vorraum steht, sammelt die Trauergäste um uns und hält eine kurze Trauerrede; 20 Minuten mehr Zeit mich darüber zu vergewissern, dass ich den Toten nicht gekannt habe. Ich bin mir da inzwischen ganz sicher, denn ich habe die ganze Zeit direkt neben ihm gestanden. Als sie endlich den Sargdeckel zuklappen, wird noch eine gute Portion Lavendel dazu gegeben. Immerhin wird der Sarg noch über eine Stunde lang in der Kapelle in unserer Nähe stehen. Am Kopf- und am Fußende stehen den ganzen Gottesdienst über zwei aus dem Männerkreis und geben dem Verstorbenen das Geleit. Sie werden immer wieder von weiteren Freiwilligen abgewechselt.
Als ich mich auf das Abschlussgebet einstelle, beugt sich der Reverend zu mir herüber und flüstert mir zu, nach dem Gebet könne ich gehen. Erleichterung, zunächst. Dann denke ich an mein Vikariat und gehe mit zum Friedhof. Eigentlich will ich mich dem Trauermarsch anschließen, aber die Pastoren lassen mich nicht, wollen lieber mit mir im Auto fahren. Diesmal halten wir den ganzen Verkehr auf und produzieren einen stundenlangen Stau auf einer Hauptverkehrsstrasse.
Auf dem Friedhof wird mir plötzlich klar, warum der Chef mich heimschicken wollte: Die Gräber sind wild verstreut, keine Wege, immer wieder stolpern wir durch Absenkungen im Erdreich, es sind fast keine Grabsteine vorhanden; der Begriff "Gottes-Acker" hat sich für mich seit heute neu definiert. Am Grab angekommen staunen die Totengräber nicht schlecht: Die sind mit einem Sarg gekommen! Es ist eine christliche Beerdigung! - Au Backe, jetzt heißt es schaufeln, was das Zeug hält! Muslims werden in der Regel einfach in einem Leinensack beerdigt, die drei Arbeiter müssen einen guten halben Meter nachgraben. Die rote Erde fliegt uns nur so um die Ohren, aber keiner der Trauergäste kann den Blick von den Arbeitern abwenden. Als uns Knochenreste um die Ohren fliegen, stört das scheinbar noch niemanden, aber als vor den Füßen der Schwester des Verstorbenen ein Unterkiefer landet, wird die Versammlung unruhig.
Eine halbe Stunde und gut 4 Choräle später beschließt der Reverend, dass es genug sei, der Sarg könne abgesenkt werden. Wo sind die Seile? - Au Backe, jetzt müssen zwei der Totengräber in die Grube steigen (unter die Holzkiste!) und den Sarg langsam hinunter lassen. Auf halber Strecke - der Sarg hat sich bereits in dem viel zu engen Loch verkantet - wird uns bewusst, dass das schmalere Fußende des Sargs zwar locker in die Grube passt, aber das breitere Kopfteil niemals absinken kann. Die Jungs in der Grube werden langsam nervös. Der Sag wird leicht angedreht, doch halt: Habt ihr ihn zugenagelt? - Au Backe, jetzt heißt es nachdenken, Scharniere suchen und sich für die richtige Richtung entscheiden. Es rumpelt ein klein wenig, aber dann sehen wir den einen Arbeiter aus der Grube hüpfen, der andere kommt gleich hinterher.
Reverend spricht die Beerdigungsliturgie, und als er "Staub zu Staub" sagt und währenddessen die Schwester des Verblichenen (nicht die beiden Ehefrauen!) mit einem Schäufelchen rote Erde in das Grab schütten will, ertönen aus ihrer rechten Hosentasche laute Reggae-Beats in einer Lautstärke, dass der ganze Friedhof etwas davon hat. Aus den Augenwinkeln sehe ich einige Jugendliche aus dem Chor mit den Hüften schwingen. Die Trauernde überspielt diese Peinlichkeit mit einem lauten Schluchzen und wird von ihrem Ehemann gestützt vom Platz getragen. Sogleich schaufeln die Arbeiter die Grube zu. Die kommende Regenzeit wird die Stelle gut auswaschen und für eine weitere Absenkung mitten auf dem Gottesacker von Calaba-Town sorgen. Der Reverend kommt an mir vorbei: "Ich glaub' wir sind hier fertig!" - Au Backe!
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