Ihr lieben Freunde und aufmerksamen Leser.
Darf ich auch mal was schreiben? - Lisa hat gesagt, das letzte Abenteuer geht auf mein Konto, also soll ich jetzt mal ran! Einige haben uns per Mail gefragt, wie man hier Ostern verbringt. Jetzt sag ich's Euch: Auch hier waschen die Leute heimlich ihre Wäsche am "heiligen Feiertag", oder auch mal das Auto, statt zum Karfreitagsgottesdienst zu gehen ...
Insgesamt sind die Ostertage hier auf dem Campus von TECT sehr ruhig. Alle Studenten sind ausgeflogen; die meisten der Theologiestudenten sind ja schon Pastoren in Gemeinden und haben ganz normal Dienst. Ich hatte auch Dienst. Spontan habe ich am Karfreitag den Segen in der Gemeinde gesprochen. Und am Sonntag dann beim Abendmahl mitgeholfen. Zwischendurch (Samstag) dann noch schnell durch die halbe Stadt gehechtet, damit Lisa noch einen Kuchen zu Ostern backen kann ... doch langsam - smohl smohl - alles der Reihe nach!
Karfreitag
Ich habe beschlossen, alleine in den Gottesdienst zu gehen. Um 9 bekomme ich die Bestätigung per SMS: Gottesdinestbeginn - wie üblich - um 10. Gerade noch Zeit, mich zu rasieren, umzuziehen und mit dem Toyota die Sunday-Street runterzubrettern. Dabei werde ich einmal mehr von den Fußgängern überholt, die wie ich zu spät zum Gottesdienst kommen werden. Ich parke dort, wo in einer halben Stunde für die nächsten 2 Stunden Schatten sein wird, eine bewährte Praxis seit einigen Wochen.
Am Eingang werde ich von so eine Art Kirchendiener abgepasst, der mich am Betreten des Gemeindehauses hindert. Er führt mich zum Hintereingang, und ehe ich weiß wie mir geschieht, stehe ich mit dem Pastorenteam der Gemeinde beim Gebet in der Abstellkammer hiner dem "Allerheiligsten" und erfahre: Ich soll das Segensgebet am Schluss des Gottesdienstes sprechen. - Und auch wenn ich jetzt echte Geistführung brauche, so steht doch Eines fest: Der Segen und die Schriftlesung werden die einzigen Teile des Gottesdienstes auf Englisch sein; der Rest läut wie üblich auf Krio, für mich kein ganz rotes Tuch mehr ... dachte ich.
Als ich nach einem überraschend kurzen Gottesdienst an der Reihe bin, drängt sich der Senior-Pastor nach vorne und sagt irgendetwas auf Krio zu der Versammlung; ich verstehe kein Wort! Danach gehe ich nach vorne und lese ein ausführliches Segenswort aus Hebräer 13 vor, anschließend bediene ich eine gute Tradition in SL und sage: "Let us now share the grace" - woraufhin die ganze Gemeinde sich selbst den Segen aus 2.Kor zuspricht. Eine sehr schöne Angelegenheit, wie ich finde. Nur diesmal lacht die ganze Gemeinde, und spricht den Segen mit mehr als nur einem Schmunzeln auf den Lippen.
Nachher erfahre ich, dass Rev. Mansarey seiner Gemeinde zuvor sagte, dass heute ich den Segen (quasi "amtlich") für die Gemeinde sprechen werde und wir doch einmal auf diese ausgenudelte Tradition verzichten sollten, bevor sie zur Floskel verkommt. Ich dachte eigentlich, dass ich inzwischen einigermaßen Krio verstehe. Jetzt kenne ich die Wahrheit. "Warum hat er mir das nicht vorher (auf Englisch) gesagt?" - Wir hören langsam auf, die Frage zu stellen; sonst kommen wir aus dem Fragen gar nicht mehr raus.
Samstag
Wie kann es anders sein: Samstag Nachmittag, kurz vor den Feiertagen, nach einer halben Stunde Backzeit geht unser "Cooking-Gas" aus, die Gasflasche ist endgültig leer. Und ich habe mal wieder nicht auf mein Gefühl gehört und Mittwochs eine Ersatzflasche gekauft, als wir eh in der Stadt unterwegs waren. Zusammen mit Paul setze ich mich ins 'Auto' und fahre los, den 'Highway' Richtung Freetown. Mir wurde gesagt, dass man an nahezu jeder Tanke diese Flasche tauschen kann für soundsoviel Geld. Soweit so gut. Hitze. Nicht viel Zeit. Wenig Lust. Nichts zu trinken dabei. Paul schläft nach 10 Minuten.
Die erste Tanke ist eine freie Tanke (von NP beliefert), sie verkaufen dort kein Cooking-Gas. Ich soll doch zu Shell fahren! (Das ist eine Kreuzung kurz vor der 'Innenstadt' Freetowns, benannt nach einer Tankstelle aus guten Tagen; heute heißt die Firma Safecon.) Dort sagt man mir, dass sie kein Cooking-Gas mehr verkaufen. Ich soll doch weiter zu Total (richtig, die Franzosen halten Einzug in SL!), aber die schicken mich wieder zu NP nebenan, diesmal keine freie, sondern eine offizielle NP-Tanke. Die wird gerade selbst betankt und so werde ich auch nicht bedient. (Als sie zufällig den schlafenden Paul sehen, hören sie wenigstens auf, mich zu ignorieren.) Auf meine Frage nach Gas nicken, sie freudig erregt, aber als sie die Flasche sehen schütteln sie angewiedert den Kopf: Soll ich mich doch zu Safecon scheren mit dieser alten Shell-Flasche! - Unglaublich: Endlich erfahre ich mal, dass man keineswegs überall jede Flasche tauschen kann!
Ich also zurück zu Shell, doch die verkaufen ja kein Gas mehr, nur noch im Headquarter, Stadtmitte. Ich will da aber nicht hin, Stadtmitte heißt nämlich stundenlang Stau, erst Recht am Wochenende! Bei NP wollen sie mir keine 'neue' Flasche verkaufen, als ich vom Flaschentausch absehe und mich entschlossen habe, richtig Geld auszugeben: Neue Flaschen bitte im Headquarter kaufen! Hier wird nur getauscht. Das gleiche sagen sie mir bei drei anderen NP-Tanken, es scheint also zu stimmen; sowas muss man hier immer überprüfen. Inzwischen bewege ich mich auf die Stadtmitte zu, stecke immer wieder im Verkehr fest, trockene Kehle, der völlig verschwitzte Paul wacht auf und staunt.
Nachdem ein weiterer Versuch bei einer Safcon-Filiale scheitert, wage ich einen letzten bei NP. Endlich erwische ich einen freundlichen Tankwart, der wirklich gewillt ist, mir zu helfen. Er ist auch der erste, der mir ausführlich erklärt, warum meine ganzen vorherigen Versuche scheitern mussten: Es gibt scheinbar in der ganzen Stadt keine Adapter-Köpfe mehr, die das Ventil der Gasflschen öffnen; die dürfen nur noch im jeweiligen Headquarter der Tankstellen verkauft werden. A-ha. Er bittet mich, kurz zu warten. Er hat nämlich noch eine volle Flasche, und wenn er seinem Kollegen bei der Filliale nebenan einen entsprechenden Adapter abschwätzen kann, bekomme ich mein Cooking-Gas für Lisas Kuchen ... unseren Oster-Kuchen!
10 Minuten und 2 penetrante Bettler später kommt er zurück, mit Adapter (!) und verkauft mir für reichlich Kies eine volle Gasflasche der Firma NP, mit passendem Adapter! Juhu, der Herr ist groß ... denke ich überschwenglich. Will zur Feier der erfolgreichen Expedition einen Softdrink an der Strasse kaufen, finde aber keine passende Gelegenheit und entschließe mich vernünftigerweise, unsere ausgetrockneten Kehlen erst zu Hause in Jui zu stillen; die 30 Cent kann man auch wirklich sparen!
Aber zu Hause angekommen klappt nichts: Gas entweicht aus dem tollen Adapter und nichts wird fertig gebacken! Inzwischen wird es kühler, die Sonne steht schon tief. Bevor sie ganz untergeht und der Tankwart mein Gesicht vergißt - was eigentlich nicht sein kann, denn ich habe ihm gutes Trinkgeld gegeben! - entschließe ich mich, das Geschäft rückgängig zu machen und die knapp 50 Euro zurückzuverlangen, viel Geld hierzulande! Diesmal lasse ich Paul zu Hause, es ist schon zu spät. Ich ärgere mich sehr, fahre viel zu schnell, will die Sonne nicht untergehen lassen über meinem Fehlkauf. Der Kuchen ist mir inzwischen egal. Meine Kehle ist aber immer noch zu trocken. Auf dem Highway komme ich zügig voran.
Der Tankwart entschuldigt sich tausendfach für die unnütze Benzinverschwendung meinerseits. Dass er mich nicht fragt, ob ich tanken muss, ist noch alles! Wir checken die Funktionsfähigkeit der neuen Flasche (bei der anderen war das Ventil kaputt) direkt vor Ort - alles bestens! Auf der Rückfahrt beschließe ich, mir jetzt doch einen Softdrink direkt an der Strasse zu kaufen; schließlich habe ich das verdient, oder?
Normalerweise rennen die Verkäufer den Interessenten sogar hinterher, nicht so diesmal: Die Verkäuferin versteht gar nicht, was ich will, braucht reichlich lange, bis sie gemütlich zu meinem 'Auto' watschelt, um zu fragen, was ich denn eigentlich will. Inzwischen hupen hinter mir die PodaPodas; ich winke ab, versuche der Frau klar zu machen, dass sich das Geschäft erledigt hat (jetzt, wo sie erahnt, dass ich ein potentieller Kunde bin!), will losfahren, da sehe ich ihn.
Er steht direkt vor meiner Motorhaube und schreibt etwas auf einen kleinen Notizblock. Er lässt sich Zeit. Das Hupkonzert verklingt nach und nach. Ich fühle mich wie Michael Douglas in dem Film "Falling Down", der im Auto sitzend und schwitzend die Nerven verliert und über kurz oder lang zum Amokläufer wird. Ich kann mich gerade noch zurückhalten. Binnen 3 Tagen muss ich 30'000 Leone (knapp 8 Euro) auf der Hauptpolizei-Wache der Verkehrpolizei bezahlen, weil ich den Verkehr aufgehalten habe. - Und das in der Hauptstadt aller Verkehr-Staus!
Alle Versuche auf der Mitleidsschiene prallen an der versteinerten Miene des Polizisten ab. Nicht einmal die Missionar-Schiene funktioniert: "You pay the money!"- Immerhin: Die tun was gegen Korruption hier, so scheint es!
Oster-Sonntag
"Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden!" - dies Sprüchlein scheint hier in SL keine gute Tradition zu sein. Kaum dass man den Leuten hier ein "Happy Easter" entlocken kann!
Morgens um 7 findet eine Taufe unserer Gemeinde statt: 16 Täuflinge werden in einem 'Fluß' nahe Jui getauft. Ich fahre alleine hin, über staubige Pisten, zum Glück für unser 'Auto' befahrbar. Kurz vor 7 bin ich an verabredeter Stelle an einer Brücke, unter der reichlich Leute ihre Wäsche waschen. Ich warte, denn ganz bestimmt werden meine Leute nicht pünktlich sein. Falsch gedacht. Gerade noch rechtzeitig sehe ich: Eine mittelgroße Gruppe weißgekleiderter Personen steht hinter einem riesigen Gemüsegarten flußaufwärts. Die Gruppe der Gemeinde. Nur die Täuflinge und das Pastorenteam sind da, der Rest kann sich die Transportkosten nicht leisten. Ich habe die falsche Seite des Flusses gewählt und stehe auf der anderen Seite zwischen (sich) waschenden Dorfbewohnern.
Besonders bemerkenswert: Vor der Taufe wird das Wasser geweiht und von bösen Geistern befreit und zu diesem Zweck mit einem Öl veredelt. Die Menschen hier glauben nämlich an Wassergeister, die sie in die Tiefe ziehen, und sie fürchten sich daher besonders vor der Taufe. Wer sich hier taufen lässt, der muss das wirklich wollen! Das Risiko ist sonst zu groß. Immerhin lässt der Pastor durchblicken, dass das Öl nicht aufgrund irgendeiner Magie das Wasser reinigt, sondern uns veranschaulicht, dass Gott uns mit dem normalen Wasser nicht schaden will, dass ja offensichtlich dreckig, krankmachend und voller winziger Tierchen ist, die nichts sehnlicher wünschen, als einen Wirt zum Brüten zu finden. - Ich weiß nicht, ob ich mal eine Taufe durchführen will. - Wie weit reicht mein Gottvertrauen?
Nachher hole ich meine Familie für den Ostergottesdienst ab. Mit Abendmahl wird er bestimmt länger als 2 Stunden gehen. Aber bei dabei habe ich die Rechnung ohne den Wirt gemacht: In aller Ausführlichkeit schildert der Reverend den Ablauf der Taufe, erwähnt glücklich, dass selbst der Missionar - Reverend Meisinger - da war. Nach 1,5 Stunden sind alle Täuflinge mit ihren Zertifikaten und Taufpaten versehen, die dafür zuständig sind, sie in die Gemeinde einzuführen.
Die Predigt dauert wie üblich eine Dreiviertelstunde. Anna verschläft sie komplett auf meinem Arm; ich kann schon fast nicht mehr sitzen.
Ich habe vor der Predigt die Schriftlesung gemacht. Ich scheine seit meiner ersten Predigt im Gottesdienst jedesmal integriert zu werden. Aber statt es mir zu sagen, machen sie es einfach. Kurz vor dem Abendmahl werden die Diakone nach vorne gebeten; ich auch. Wie selbstverständlich soll ich beim Verteilen helfen. Ich weiß noch nicht mal, wie sie es hier durchführen. Jetzt weiß ich es: Alle, die teilnehmen wollen, dürfen nach vorne kommen. Ich laufe mit dem Brot herum, ein anderer mit Einzel-Plastikbecherchen auf einem Tablett; Megacola in den Minikelchen. Als es vollbracht ist, bricht ein großer Jubel los, die Menschen singen, tanzen und klatschen: Der Herr ist auferstanden, hat uns die Sünden vergeben; darüber freuen sie sich, und das lautstark! Nach 3,5 Stunden ist der Gottesdienst aus und unsere Nerven liegen blank, die Kinder lassen ihre überschüssige Energie raus (ohne Kindergottesdienst durchgehalten; WOW!) und uns allen knurrt der Magen. Schnell weg!
Zu Hause angekommen, essen wir lecker Hackfleisch-Pizza und Obstsalat, hören Arno & Andreas "Die Platte am Grab ist weg gerollt" und genießen die Ruhe auf dem Campus.
Den ganzen Tag läuft Wasser. Am heiligen Ostersonntag fülle ich in jeder freien Minute leere Flaschen mit Wasser, für die Tage, an denen gar kein Wasser läuft. - Arbeit am Feiertag? - Nein, denn Wassersammeln gehört hier zum normalen Tagesablauf, ist für mich schon gar keine Arbeit mehr, sondern gehört zum Leben dazu, wie Wasserverbrauchen übrigens auch!
Am Nachmittag kommt Besuch: Immer unangemeldet, aber immer willkommen: Husbys besuchen uns auf dem Rückweg von Freetown nach Lunsar, für sie ein freies Wochenende am Strand. Wir lassen den Nachmittag gemütlich ausklingen, mit Kaffee, Kakao und frisch gebackenem Kuchen (s.o.) und verabreden uns für ein Wochenende im Mai.
Frohe Ostern!
vor 3 Jahren
1 Kommentar:
Oh Daniel, wie genial. Ich kann dich förmlich hören. Es ist unglaublich. Immer wieder muss ich mir das kichern verkneifen. Doch warum? bin doch allein hier. Also los und heftig gelacht. Ich bin begeistert und wäre gern dabei gewesen, als du dein Gas-Abenteuer bestritten hast. Wie großartig.
Und die Taufe erst. Ich sehe den "Fluss" direkt vor mir. Ich habe das Gefühl, fast die Gerüche wahrzunehmen.DANKE, DANKE, DANKE! Das hat mir den Tag versüßt und ich kann nun wieder an die Arbeit gehen.
Der HERR ist auferstanden - ER ist wahrhaftig auferstanden
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