Mittwoch, 29. April 2009

1 Uhr nachts - was für ein Tag!

Mitternacht ist schon längst vorbei und neben mir auf dem 'Sofa' liegt Paul und verdreht im Schlaf die Augen, während ich (Daniel) ihm alle paar Sekunden den Moskito vom Leib halte, der eigentlich um den Eimer herum schwirrt, der sicherheitshalber neben uns steht. Anna und Paul haben sich (nacheinander) jeweils die Seele aus dem Leib gekotzt, seit halb 11 geht das jetzt und langsam kehrt Ruhe ein. - Dabei hatte der Tag so gut angefangen ...

Auf mich wartete heute eine dreifache Herausforderung: Zunächst durfte ich bei der Campus-Andacht predigen, danach gings direkt zum Unterricht, der nach einer Stunde abgebrochen werden musste, zugunsten der Vorlesungsprüfung der Abgangsstudenten des Kurses, die nämlich bis zu ihren Abschlussprüfungen (Mitte Mai) von jedem Unterricht befreit sind. Aber Noten für die besuchten Kurse brauchen sie halt trotzdem, daher habe ich sie zu einem Kolloquium zusammengerufen und die 4 Studenten eine knappe Stunde mit Fragen auf Trab gehalten, heraus kam eine nette kleine theologische Gesprächsrunde.

Nachdem all die Hürden des Tages genommen waren (von den noch kommenden wussten wir ja noch nichts), ließ ich langsam die Mittagspause heranschleichen. Leider wollte Paul nicht mit mir Mittagsschlaf machen. Die letzten Tage war das zu einer guten Tradition, und für mich zu einer wunderbaren Gelegenheit geworden, nicht so heute. Man muss nicht profetisch begabt sein um vorauszusehen, dass Paul so gegen 5 mit Quängeleien anfängt. So auch heute.

Nach den üblichen Trotz-Terror-Wut-Attacken schliefen bei Kinder fast sofort ein, und Lisa und ich gönnten uns ein bischen DVD-Vergnügen, als kurz vor dem Höhepunkt des Films das Husten im Kinderzimmer einen anderen Klang annimmt. Im Halbschlaf kriege ich mit wie Lisa "Scheiße" rufend aufspringt, und nach wenigen Sekunden bin auch ich auf den Beiden, das ist es schon geschehen: Anna spuckt, spuckt, spuckt, bis eigentlich nichts mehr kommen dürfte, aber sie macht weiter.
Nach 1,5 Stunden haben wir sie halbwegs in trockenen Tüchern, als wie auf Bestellung Paul anfängt: Ein bischen trockener, aber nicht weniger appetitlich ... Jetzt haben wir zwar noch genug Wechselklamotten aber keine Bettwäsche mehr, es darf also nichts mehr passieren, heute Nacht!
Was wir zum zweiten Mal diese Woche zur Genüge haben ist Nacht-Strom. Eigenartig, fast ein Wunder in dieser Höllen-Nacht, aber in der Nacht zum Montag und auch heute haben wir elektrischen Strom aus öffentlichen Quellen! Ein Staudamm im Landesinneren wurde wohl doch fertiggestellt und beliefert die Hauptstadt mit ein paar Kilowatt mehr als früher. Und auch wir in Jui kriegen was vom Kuchen ab! Das ist definitiv ein Grund zum Danken! Ebenso auch die positiven Erfahrungen bei den turbulenten Ereignissen des Tages.
Aber konkret will ich ein Anliegen in eigener Sache für die Fürbitte weitergeben: Unsere Kinder - v.a. Paul - haben sich mit den Nachbarskindern inzwischen so sehr angefreundet (das ist soweit ganz gut), dass sie permanent von denen was zu essen kriegen. Das ist soweit noch nicht schlecht, wenn es nur nicht andauernd Süßigkeiten wären, und Mahlzeiten, die unsere Mägen einfach noch nicht aushalten (auch das hiesige Leitungswasser). Das führt zu manchen Mißverständnissen mit den Nachbarn (und im Magen selbst ja schließlich auch!), und wir würden uns wünschen, dass entweder unsere Kinder gehorchen oder verstehen, warum wir wollen, dass sie zu Hause essen, oder aber die Nachbarn mögen über ihren freundlichen Schatten springen, und unseren Wunsch respektieren, dass die Kids nicht permanent alles mögliche bei ihnen essen sollen.

Was für ein Tag!

Was für eine Nacht!

Montag, 20. April 2009

Irgendwie ist seit dem letzten Eintrag mal wieder eine ganze Woche vergangen. Langsam scheint sich bei uns eine Art Alltag einzustellen und wir wissen nicht mehr so genau, was wir schreiben sollen?! Nein, es gibt schon immer noch was zu sagen, zum Beispiel, dass ich eben meine erste Schlange in der Regenrinne vor unserem Haus gesehen habe! Das war schon irgendwie ein komisches Gefühl. Ich habe es gleich Sarah gesagt, aber die Schlange hatte sich schon verkrochen und war weg. Sarah meinte, die Regenzeit wäre nicht mehr weit und dann würde der ganze Campus von Schlangen nur so wimmeln - sehr beruhigend! Man spürt auch schon, dass es immer feuchter wird, man muss sich nicht mehr bewegen, um zu schwitzen, und dass, obwohl die Temperaturen nicht mehr so hoch sind. Man kann es auch daran merken, dass wir jetzt fast täglich fließend Wasser haben - zwar noch immer sehr sehr dreckig, aber immerhin kommt es direkt aus der Leitung und nicht mehr aus den abgefüllten Flaschen - was auch immer wir mit denen jetzt mache... ;-)
Die Mangos an unserem Baum sind nun auch reif und schmecken vorzüglich! Gestern habe ich, weil der Nachbarsjunge raufgeklettert ist und uns einen riesigen Berg reifer Mangos gepflückt hat, Mango-Marmelade gemacht. Sie schmeckt herrlich! Auch Sarah fand sie sehr lecker.
Seit dem Wochenende haben wir auch eine Autoreifen-Schaukel an unserem Mangobaum installiert - natürlich nicht nur für unsere oder die Campuskinder interessant, sondern für alle Straßenkinder, die über den Campus wandern, auf der Suche nach etwas Eßbarem. Anna und Paul fühlen sich hier schon merklich wohler, sie fangen auch schon an, mit den Kindern hier Krio zu sprechen (manche versuchen allerdings auch mit den beiden Deutsch zu sprechen... mit geringem Erfolg!), manchmal sprechen sie es auch miteinander. Wir machen leider keine großen Fortschritte mit der Sprache, denn unser Sprachlehrer kann nicht sehr regelmäßig kommen (er ist zur Zeit in der Regentsroad-Baptist-Church tätig, während der Seniorpastor in Deutschland ist (er ist der Präsident der BCSL) und hat dort einiges zu tun, "nebenbei" muss er auch noch sein Studium hier beenden...) und Sarah, mit der wir eigentlich auch üben könnten, möchte lieber ihr Englisch mit uns verbessern (klar, Krio kann sie ja schon!). Letzte Woche habe ich an einem Stand ein wenig Obst gekauft und ich konnte mich einigermaßen verständigen. Es ist nur schwierig, das Englisch, dass man sich mühevoll angeeignet hat wieder komplett runterzubrechen... wenn das unsere Englischlehrer aus Schultagen wüssten, die würden die Hände über ihren (grauen) Köpfen zusammenschlagen ;-)
Gestern wollten wir eigentlich in den Gottesdienst gehen, aber leider wollte unser "Auto" mal wieder nicht anspringen - keiner von uns ist Automechaniker, somit wissen wir nicht, was der Wagen wieder hat, wir tippen aber auf die Batterie (die ist allerdings erst 1 1/2 Monate alt!!!). Da es ein Automatik-Auto ist, können wir noch weniger tun... Daniel ist dann allein in den Gottesdienst gefahren, mit "Honda"-Taxi, Taxi und zu Fuß. Es war wohl recht abenteuerlich, aber er ist zur richtigen Mittagessenzeit wieder zu Hause gewesen - das ist die Hauptsache! ;-)
Da wir anderen ja nicht im Gottesdienst waren, haben wir beschlossen, am Abend hier in die "Chapel" auf dem Campus zu gehen und dort den einstündigen Gottesdienst auf Krio mitzunehmen. Es war ganz nett und ist eine gute Übung zum Sprachelernen...
Jetzt hat die Woche wieder begonnen. Daniel ist wieder im Büro. Ich sitze zu Hause und die Kinder sind draußen spielen - hier sind noch Osterferien, d.h. alle Kinder sind immer da!!!
Neulich habe ich der Bibliothek mal einen Besuch abgestattet. Der Bibliothekar hat sich sehr gefreut, dass ich ihm gerne helfen möchte ein wenig Ordnung in das Chaos, das wirklich enorm ist, zu bringen. Die Bücher sind alle sehr alt (die meisten aus den 50ern bis 70ern!) und alles ist von dem Staub hier sehr dreckig. Alles in Allem sieht sie ein wenig vernachlässigt aus, was aber nicht am Bibliothekar liegt, sondern daran, dass die Priorität hier nicht bei der Bibliothek liegt - Schade eigentlich! Wir werden sehen, was wir zusammen tun können. Ich freu mich drauf - wann auch immer es losgeht!

Montag, 13. April 2009

Frohe Ostern!

Ihr lieben Freunde und aufmerksamen Leser.

Darf ich auch mal was schreiben? - Lisa hat gesagt, das letzte Abenteuer geht auf mein Konto, also soll ich jetzt mal ran! Einige haben uns per Mail gefragt, wie man hier Ostern verbringt. Jetzt sag ich's Euch: Auch hier waschen die Leute heimlich ihre Wäsche am "heiligen Feiertag", oder auch mal das Auto, statt zum Karfreitagsgottesdienst zu gehen ...

Insgesamt sind die Ostertage hier auf dem Campus von TECT sehr ruhig. Alle Studenten sind ausgeflogen; die meisten der Theologiestudenten sind ja schon Pastoren in Gemeinden und haben ganz normal Dienst. Ich hatte auch Dienst. Spontan habe ich am Karfreitag den Segen in der Gemeinde gesprochen. Und am Sonntag dann beim Abendmahl mitgeholfen. Zwischendurch (Samstag) dann noch schnell durch die halbe Stadt gehechtet, damit Lisa noch einen Kuchen zu Ostern backen kann ... doch langsam - smohl smohl - alles der Reihe nach!

Karfreitag

Ich habe beschlossen, alleine in den Gottesdienst zu gehen. Um 9 bekomme ich die Bestätigung per SMS: Gottesdinestbeginn - wie üblich - um 10. Gerade noch Zeit, mich zu rasieren, umzuziehen und mit dem Toyota die Sunday-Street runterzubrettern. Dabei werde ich einmal mehr von den Fußgängern überholt, die wie ich zu spät zum Gottesdienst kommen werden. Ich parke dort, wo in einer halben Stunde für die nächsten 2 Stunden Schatten sein wird, eine bewährte Praxis seit einigen Wochen.
Am Eingang werde ich von so eine Art Kirchendiener abgepasst, der mich am Betreten des Gemeindehauses hindert. Er führt mich zum Hintereingang, und ehe ich weiß wie mir geschieht, stehe ich mit dem Pastorenteam der Gemeinde beim Gebet in der Abstellkammer hiner dem "Allerheiligsten" und erfahre: Ich soll das Segensgebet am Schluss des Gottesdienstes sprechen. - Und auch wenn ich jetzt echte Geistführung brauche, so steht doch Eines fest: Der Segen und die Schriftlesung werden die einzigen Teile des Gottesdienstes auf Englisch sein; der Rest läut wie üblich auf Krio, für mich kein ganz rotes Tuch mehr ... dachte ich.
Als ich nach einem überraschend kurzen Gottesdienst an der Reihe bin, drängt sich der Senior-Pastor nach vorne und sagt irgendetwas auf Krio zu der Versammlung; ich verstehe kein Wort! Danach gehe ich nach vorne und lese ein ausführliches Segenswort aus Hebräer 13 vor, anschließend bediene ich eine gute Tradition in SL und sage: "Let us now share the grace" - woraufhin die ganze Gemeinde sich selbst den Segen aus 2.Kor zuspricht. Eine sehr schöne Angelegenheit, wie ich finde. Nur diesmal lacht die ganze Gemeinde, und spricht den Segen mit mehr als nur einem Schmunzeln auf den Lippen.
Nachher erfahre ich, dass Rev. Mansarey seiner Gemeinde zuvor sagte, dass heute ich den Segen (quasi "amtlich") für die Gemeinde sprechen werde und wir doch einmal auf diese ausgenudelte Tradition verzichten sollten, bevor sie zur Floskel verkommt. Ich dachte eigentlich, dass ich inzwischen einigermaßen Krio verstehe. Jetzt kenne ich die Wahrheit. "Warum hat er mir das nicht vorher (auf Englisch) gesagt?" - Wir hören langsam auf, die Frage zu stellen; sonst kommen wir aus dem Fragen gar nicht mehr raus.

Samstag

Wie kann es anders sein: Samstag Nachmittag, kurz vor den Feiertagen, nach einer halben Stunde Backzeit geht unser "Cooking-Gas" aus, die Gasflasche ist endgültig leer. Und ich habe mal wieder nicht auf mein Gefühl gehört und Mittwochs eine Ersatzflasche gekauft, als wir eh in der Stadt unterwegs waren. Zusammen mit Paul setze ich mich ins 'Auto' und fahre los, den 'Highway' Richtung Freetown. Mir wurde gesagt, dass man an nahezu jeder Tanke diese Flasche tauschen kann für soundsoviel Geld. Soweit so gut. Hitze. Nicht viel Zeit. Wenig Lust. Nichts zu trinken dabei. Paul schläft nach 10 Minuten.
Die erste Tanke ist eine freie Tanke (von NP beliefert), sie verkaufen dort kein Cooking-Gas. Ich soll doch zu Shell fahren! (Das ist eine Kreuzung kurz vor der 'Innenstadt' Freetowns, benannt nach einer Tankstelle aus guten Tagen; heute heißt die Firma Safecon.) Dort sagt man mir, dass sie kein Cooking-Gas mehr verkaufen. Ich soll doch weiter zu Total (richtig, die Franzosen halten Einzug in SL!), aber die schicken mich wieder zu NP nebenan, diesmal keine freie, sondern eine offizielle NP-Tanke. Die wird gerade selbst betankt und so werde ich auch nicht bedient. (Als sie zufällig den schlafenden Paul sehen, hören sie wenigstens auf, mich zu ignorieren.) Auf meine Frage nach Gas nicken, sie freudig erregt, aber als sie die Flasche sehen schütteln sie angewiedert den Kopf: Soll ich mich doch zu Safecon scheren mit dieser alten Shell-Flasche! - Unglaublich: Endlich erfahre ich mal, dass man keineswegs überall jede Flasche tauschen kann!
Ich also zurück zu Shell, doch die verkaufen ja kein Gas mehr, nur noch im Headquarter, Stadtmitte. Ich will da aber nicht hin, Stadtmitte heißt nämlich stundenlang Stau, erst Recht am Wochenende! Bei NP wollen sie mir keine 'neue' Flasche verkaufen, als ich vom Flaschentausch absehe und mich entschlossen habe, richtig Geld auszugeben: Neue Flaschen bitte im Headquarter kaufen! Hier wird nur getauscht. Das gleiche sagen sie mir bei drei anderen NP-Tanken, es scheint also zu stimmen; sowas muss man hier immer überprüfen. Inzwischen bewege ich mich auf die Stadtmitte zu, stecke immer wieder im Verkehr fest, trockene Kehle, der völlig verschwitzte Paul wacht auf und staunt.
Nachdem ein weiterer Versuch bei einer Safcon-Filiale scheitert, wage ich einen letzten bei NP. Endlich erwische ich einen freundlichen Tankwart, der wirklich gewillt ist, mir zu helfen. Er ist auch der erste, der mir ausführlich erklärt, warum meine ganzen vorherigen Versuche scheitern mussten: Es gibt scheinbar in der ganzen Stadt keine Adapter-Köpfe mehr, die das Ventil der Gasflschen öffnen; die dürfen nur noch im jeweiligen Headquarter der Tankstellen verkauft werden. A-ha. Er bittet mich, kurz zu warten. Er hat nämlich noch eine volle Flasche, und wenn er seinem Kollegen bei der Filliale nebenan einen entsprechenden Adapter abschwätzen kann, bekomme ich mein Cooking-Gas für Lisas Kuchen ... unseren Oster-Kuchen!
10 Minuten und 2 penetrante Bettler später kommt er zurück, mit Adapter (!) und verkauft mir für reichlich Kies eine volle Gasflasche der Firma NP, mit passendem Adapter! Juhu, der Herr ist groß ... denke ich überschwenglich. Will zur Feier der erfolgreichen Expedition einen Softdrink an der Strasse kaufen, finde aber keine passende Gelegenheit und entschließe mich vernünftigerweise, unsere ausgetrockneten Kehlen erst zu Hause in Jui zu stillen; die 30 Cent kann man auch wirklich sparen!
Aber zu Hause angekommen klappt nichts: Gas entweicht aus dem tollen Adapter und nichts wird fertig gebacken! Inzwischen wird es kühler, die Sonne steht schon tief. Bevor sie ganz untergeht und der Tankwart mein Gesicht vergißt - was eigentlich nicht sein kann, denn ich habe ihm gutes Trinkgeld gegeben! - entschließe ich mich, das Geschäft rückgängig zu machen und die knapp 50 Euro zurückzuverlangen, viel Geld hierzulande! Diesmal lasse ich Paul zu Hause, es ist schon zu spät. Ich ärgere mich sehr, fahre viel zu schnell, will die Sonne nicht untergehen lassen über meinem Fehlkauf. Der Kuchen ist mir inzwischen egal. Meine Kehle ist aber immer noch zu trocken. Auf dem Highway komme ich zügig voran.
Der Tankwart entschuldigt sich tausendfach für die unnütze Benzinverschwendung meinerseits. Dass er mich nicht fragt, ob ich tanken muss, ist noch alles! Wir checken die Funktionsfähigkeit der neuen Flasche (bei der anderen war das Ventil kaputt) direkt vor Ort - alles bestens! Auf der Rückfahrt beschließe ich, mir jetzt doch einen Softdrink direkt an der Strasse zu kaufen; schließlich habe ich das verdient, oder?
Normalerweise rennen die Verkäufer den Interessenten sogar hinterher, nicht so diesmal: Die Verkäuferin versteht gar nicht, was ich will, braucht reichlich lange, bis sie gemütlich zu meinem 'Auto' watschelt, um zu fragen, was ich denn eigentlich will. Inzwischen hupen hinter mir die PodaPodas; ich winke ab, versuche der Frau klar zu machen, dass sich das Geschäft erledigt hat (jetzt, wo sie erahnt, dass ich ein potentieller Kunde bin!), will losfahren, da sehe ich ihn.
Er steht direkt vor meiner Motorhaube und schreibt etwas auf einen kleinen Notizblock. Er lässt sich Zeit. Das Hupkonzert verklingt nach und nach. Ich fühle mich wie Michael Douglas in dem Film "Falling Down", der im Auto sitzend und schwitzend die Nerven verliert und über kurz oder lang zum Amokläufer wird. Ich kann mich gerade noch zurückhalten. Binnen 3 Tagen muss ich 30'000 Leone (knapp 8 Euro) auf der Hauptpolizei-Wache der Verkehrpolizei bezahlen, weil ich den Verkehr aufgehalten habe. - Und das in der Hauptstadt aller Verkehr-Staus!
Alle Versuche auf der Mitleidsschiene prallen an der versteinerten Miene des Polizisten ab. Nicht einmal die Missionar-Schiene funktioniert: "You pay the money!"- Immerhin: Die tun was gegen Korruption hier, so scheint es!

Oster-Sonntag

"Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden!" - dies Sprüchlein scheint hier in SL keine gute Tradition zu sein. Kaum dass man den Leuten hier ein "Happy Easter" entlocken kann!
Morgens um 7 findet eine Taufe unserer Gemeinde statt: 16 Täuflinge werden in einem 'Fluß' nahe Jui getauft. Ich fahre alleine hin, über staubige Pisten, zum Glück für unser 'Auto' befahrbar. Kurz vor 7 bin ich an verabredeter Stelle an einer Brücke, unter der reichlich Leute ihre Wäsche waschen. Ich warte, denn ganz bestimmt werden meine Leute nicht pünktlich sein. Falsch gedacht. Gerade noch rechtzeitig sehe ich: Eine mittelgroße Gruppe weißgekleiderter Personen steht hinter einem riesigen Gemüsegarten flußaufwärts. Die Gruppe der Gemeinde. Nur die Täuflinge und das Pastorenteam sind da, der Rest kann sich die Transportkosten nicht leisten. Ich habe die falsche Seite des Flusses gewählt und stehe auf der anderen Seite zwischen (sich) waschenden Dorfbewohnern.
Besonders bemerkenswert: Vor der Taufe wird das Wasser geweiht und von bösen Geistern befreit und zu diesem Zweck mit einem Öl veredelt. Die Menschen hier glauben nämlich an Wassergeister, die sie in die Tiefe ziehen, und sie fürchten sich daher besonders vor der Taufe. Wer sich hier taufen lässt, der muss das wirklich wollen! Das Risiko ist sonst zu groß. Immerhin lässt der Pastor durchblicken, dass das Öl nicht aufgrund irgendeiner Magie das Wasser reinigt, sondern uns veranschaulicht, dass Gott uns mit dem normalen Wasser nicht schaden will, dass ja offensichtlich dreckig, krankmachend und voller winziger Tierchen ist, die nichts sehnlicher wünschen, als einen Wirt zum Brüten zu finden. - Ich weiß nicht, ob ich mal eine Taufe durchführen will. - Wie weit reicht mein Gottvertrauen?

Nachher hole ich meine Familie für den Ostergottesdienst ab. Mit Abendmahl wird er bestimmt länger als 2 Stunden gehen. Aber bei dabei habe ich die Rechnung ohne den Wirt gemacht: In aller Ausführlichkeit schildert der Reverend den Ablauf der Taufe, erwähnt glücklich, dass selbst der Missionar - Reverend Meisinger - da war. Nach 1,5 Stunden sind alle Täuflinge mit ihren Zertifikaten und Taufpaten versehen, die dafür zuständig sind, sie in die Gemeinde einzuführen.
Die Predigt dauert wie üblich eine Dreiviertelstunde. Anna verschläft sie komplett auf meinem Arm; ich kann schon fast nicht mehr sitzen.
Ich habe vor der Predigt die Schriftlesung gemacht. Ich scheine seit meiner ersten Predigt im Gottesdienst jedesmal integriert zu werden. Aber statt es mir zu sagen, machen sie es einfach. Kurz vor dem Abendmahl werden die Diakone nach vorne gebeten; ich auch. Wie selbstverständlich soll ich beim Verteilen helfen. Ich weiß noch nicht mal, wie sie es hier durchführen. Jetzt weiß ich es: Alle, die teilnehmen wollen, dürfen nach vorne kommen. Ich laufe mit dem Brot herum, ein anderer mit Einzel-Plastikbecherchen auf einem Tablett; Megacola in den Minikelchen. Als es vollbracht ist, bricht ein großer Jubel los, die Menschen singen, tanzen und klatschen: Der Herr ist auferstanden, hat uns die Sünden vergeben; darüber freuen sie sich, und das lautstark! Nach 3,5 Stunden ist der Gottesdienst aus und unsere Nerven liegen blank, die Kinder lassen ihre überschüssige Energie raus (ohne Kindergottesdienst durchgehalten; WOW!) und uns allen knurrt der Magen. Schnell weg!
Zu Hause angekommen, essen wir lecker Hackfleisch-Pizza und Obstsalat, hören Arno & Andreas "Die Platte am Grab ist weg gerollt" und genießen die Ruhe auf dem Campus.
Den ganzen Tag läuft Wasser. Am heiligen Ostersonntag fülle ich in jeder freien Minute leere Flaschen mit Wasser, für die Tage, an denen gar kein Wasser läuft. - Arbeit am Feiertag? - Nein, denn Wassersammeln gehört hier zum normalen Tagesablauf, ist für mich schon gar keine Arbeit mehr, sondern gehört zum Leben dazu, wie Wasserverbrauchen übrigens auch!
Am Nachmittag kommt Besuch: Immer unangemeldet, aber immer willkommen: Husbys besuchen uns auf dem Rückweg von Freetown nach Lunsar, für sie ein freies Wochenende am Strand. Wir lassen den Nachmittag gemütlich ausklingen, mit Kaffee, Kakao und frisch gebackenem Kuchen (s.o.) und verabreden uns für ein Wochenende im Mai.

Frohe Ostern!

Dienstag, 7. April 2009

Der Hahn ist tot...

ja, wir haben uns einen Hahn gekauft, für umgerechnet etwa 4,50 Euro. Am Samstag kam ein Händler mit einem ganzen Korb Hähnen auf dem Kopf. Unsere Nachbarin fragte, ob wir nicht auch einen kaufen wollten. Ich habe wohl sehr skeptisch geschaut – auf jeden Fall meinte sie, dass sie den Hahn bei sich behalten könne, bis Sarah ihn schlachtet und zubereitet. Das ist also heute geschehen. F. hat ihm einfach so die Kehle durchgeschnitten. Ein Schnitt und fertig und der schöne Hahn war tot. Ich habe ihn übrigens die letzten Tage auch nicht krähen hören, er war so gemästet, dass er sich eh nicht wirklich viel bewegt hat. Heute haben wir also unseren ersten eigenen Hahn gegessen. Für die Leute hier ist das alles ja kein großes Ereignis und für die Generation unserer Eltern auch nicht unbedingt, aber für uns Otto-Normal-Supermarkt-Einkäufer ist das schon ein Erlebnis gewesen. Daniel hat gleich mit der Kamera draufgehalten – irgendwie schon recht Touri-mäßig! Vermutlich werden wir das alles nur beim ersten Mal filmen und dokumentieren, denn danach ist es schon Routine ;-) Den Kindern hat der Hahn übrigens nicht wirklich gut geschmeckt - er war einfach zu zäh (die Hähnchen, die man hier sonst so kaufen kann sind alle von irgendwoher importiert und nicht "hier geboren" - das scheint man irgendwie zu schmecken, unsere Geschmacksnerven sind schon auf Importware getrimmt...)

Gestern hat Daniel seine erste Predigt hier in SL gehalten. Irgendwie hat er sich bereits an die Gottesdienstzeiten gewöhnt, denn die Predigt allein ging schon 40! Minuten. Aber, so von hinten und mit zwei quengelnden Kindern betrachtet, fand die Predigt offene Ohren! Das zweite Highlight dieses Gottesdienstes waren die neuen Gemeindeliederbücher. Jetzt darf man sich aber nicht solche Liederbücher, wie z. B. „Feiern und Loben“ oder „Feiert Jesus“ vorstellen. Die GEMA hätte ihre wahre Freude an diesem Liederbuch – schön abgeschriebene Liedtexte und drumherum ein geklebter Umschlag (eigenlich kann man es kaum beschreiben, aber ein richtiges Buch ist es nicht!) Aber eigentlich kommt es darauf auch nicht an, denn wichtig ist nur, dass alle Gottesdienstbesucher jetzt ein "komplettes" Liederbuch haben (die bisherigen Bücher waren schon völlig zerfleddert und man konnte nur die Lieder ab Nr. 15 oder so, singen). Natürlich, wie kann es auch anders sein, habe ich genau das Liederbuch abbekommen, in dem etwa 10 Seiten fehlen - sehr praktisch, weil es sich genau um die Seiten handelt auf denen das "traditionelle" Abschlusslied ist, ich hoffe, es bleibt bei diesem einen Buch, denn trotz der billigen Verarbeitung waren die Bücher nicht billig!
Am Nachmittag sind wir als Familie nach Freetown gefahren - Kaffeetrinken in Kingtom und danach BADEN! Wir waren am Lumley-Beach. Einer ganz netten Ecke Freetowns. Es werden echt schöne Hotels gebaut - fragt sich nur für wen, denn hier kann man ja nur Urlaub machen, wenn man sich vorher einen krassen Impfcocktail reingepfiffen hat... Trotzdem wäre es echt gut für SL, wenn hier mal ein paar Touris herkommen würden - nicht nur Libanesen und Entwicklungshelfer!
Demnächst mehr, denn hier sind jetzt wieder alle aufgewacht...